Bevor ich kürzlich zu neuen Ufern aufbrach, drückte mir je-
mand das Kommunalbrevier 2009 des Bundeslandes Rhein-
land-Pfalz in die Hand, mit der Bitte, es komplett durchzu-
arbeiten. (1)
In diesem Brevier ist zu Gemeinden ausformuliert:
"Freie und eigenverantwortliche Gemeinden sind die wesent-
liche Grundlage für eine wirkungsvolle Demokratie." (2)
Der Satz wirft unendlich viele Fragen auf. Denn hier wird
von Selbstverwaltung gesprochen.
"Ihre Verwaltung beruht auf dem Prinzip der Selbstverwal-
tung /.../." (3)
Es wird deutlich gesagt, daß die Bürgerinnen und Bürger
die Angelegenheiten ihrer Gemeinschaft selbst regeln. Dies
können nur mündige Bürger, die durch bürgerliches Enga-
gement am Willensbildungsprozeß der Gemeinde teilneh-
men. Die Wirklichkeit ist natürlich eine andere: es wird
nach geheimen Wahlen von gewählten Stellvertretern be-
vormundet. Dieser Zustand ist jedoch kontraproduktiv.
Freiherr v.Stein hat das bereits zu Feudalherrschaftszeiten
gut formuliert:
""Zutrauen veredelt den Menschen, ewige Bevormundung
hemmt das Reifen."" (4)
Demokratie ist ein Idealzustand, zu dem eine Gemeinschaft
in einem Reifungsprozeß gelangen will. Bevormundung
zerstört diesen wichtigen Prozeß.
Es herrschen also durchaus große Mißstände in der Wei-
terbildung der Gemeinden. Wie lassen sie sich aushebeln?
Blicken wir erneut in das Kommunalbrevier, das uns zur
Mitteilung gibt, daß die Gemeinde allzuständig ist, denn
es heißt darin, dort leicht nachlesbar und in sauberer
Druckschrift:
"Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung umfasst
das Recht der Gemeinden, alle Angelegenheiten der ört-
lichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung regeln zu
können." (5)
Die Gemeinde ist eine Gebietskörperschaft, die Grundlage
und zugleich das "Glied des demokratischen Staates" ist.
Sie hat die Aufgabe, die Einwohner in dem Gebiet dieser
Gebietskörperschaft voranzubringen. Allen soll es gut
gehen.
Genaugenommen sagt uns das, jeder in einer Gemeinde
ist für alles zuständig, kann bei allem mitwirken und muß
mit seinen Denkhaltungen eigentlich auch immer wahrge-
nommen werden.
Es ergibt sich daraus, daß Gemeinderäte, Stadträte,
Ausschüsse, etc. nur Notlösungen sind, da sie nur als
gewählte Stellvertreter agieren.
Dieser geschwächte Zustand der Gemeinden fällt überall
ins Auge. Um ihn aufzuheben, muß Bürgerbeteiligung
selbstverständlich sein. Wenn sie nicht stattfindet, nur
noch gewählte Vertreter der Gemeinde beraten und be-
schließen, ist der Demokratie eines Staates die eigent-
liche Grundlage weggebrochen. An ihre Stelle tritt die
Diktatur der Räte, usw. Demokratisches Gemeindeleben
ist also etwas anderes, nämlich ein Zustand in einem
selbstverwalteten Gemeindegebiet, in dem die Einwohner
über alles diskutieren, bei allem mitreden und Entschei-
dungsgrundlagen vorbereiten. Gewählte Vertreter ha-
ben dann nur noch das letzte Wort. Als Vertreter vertreten
sie die Interessen der Meinungsgruppen im Gebiet ei-
ner Gebietskörperschaft. Wenn sie solche Interessen
zu vertreten haben, müssen sie deutlich machen kön-
nen, um welche Interessengruppe es sich handelt, die
sie vertreten. Diese muß im Gemeindegebiet vorhanden
sein. Es ist hier nicht die Rede von "Parteien", die mit
Themen unredlich umgehen. Über seriöse Parteien
ist nachzudenken. Das Wollen, seriös zu sein, mag
bei redlichen Parteien vorhanden sein, aber es bleibt
den Einwohnern eines Gebietes leider verborgen, da
Parteien vor Ort in der Regel geheim tagen.
Karl-Ludwig Diehl
http://vub-virtuelleuniversittfrdasbauwesen.blogspot.com/
Anmerkungen:
(1) Kommunale Spitzenverbände Rheinland-Pfalz (Gemeinde-
und Städtebund, Landkreistag, Städtetag) (HG): Kommunal-
brevier Rheinland-Pfalz. Mainz, 2009
(2)-(3) zitiert aus: Kommunalbrevier, S.441
(4) Freiherr v.Stein zitiert im: Kommunalbrevier, S.441
(5) zitiert aus: Kommunalbrevier, S.443
Gebietskörperschaft:
"Eine Gebietskörperschaft ist eine Körperschaft des öffent-
lichen Rechts, die die Gebietshoheit auf einem räumlich
abgegrenzten Teil des Staatsgebietes besitzt. Diese Hoheit
umfasst auch die Einwohner, wobei die wahlberechtigten
Einwohner (Bürger) gesetzliche Vollmitglieder der Körper-
schaft sind." aus:
http://de.wikipedia.org/wiki/Gebietsk%C3%B6rperschaft
Literaturhinweis zu Rheinland-Pfalz:
Dienstag, 10. November 2009
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